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AUGUST 2016

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WIEDLISBACHER

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HEIMWEH-

WIEDLISBACHER

ERINNERUNGEN AN EINE

GLÜCKLICHE WIEDLISBA-

CHER-JUGENDZEIT

(1941–1955)

Ich wurde 1941 geboren. Wir wohnten in

einer glücklichen Hausgemeinschaft

mit der Familie Werner Obrecht – ehe-

malige Papeterie – im ersten Stock. Mein

Vater hatte dort ein Notariatsbüro. Das

Haus liegt an der Baselstrasse 1, zwischen

demStädtlieingang Ost – Bäckerei Werth-

müller – und dem Brüggbach. Auf der

andern Seite des Baches wohnten die Fa-

milien Ernst Bohner und Walter Känzig.

Das Haus Bohner mit der angebauten

leerstehenden Scheune war ein Paradies

für uns Kinder. Besonders bei Regenwet-

ter verlegten wir unsere vielseitigen spie-

lerischen und sportlichen Aktivitäten in

die Scheune und Stallungen. In nächster

Umgebung lebten viele kinderreiche Fa-

milien. Spielkameraden traf man jeder-

zeit auf der Strasse. Langeweile gab es

kaum, es war immer etwas los.

Bei schönem Wetter waren wir im Som-

mer und imWinter draussen unterwegs,

sei es auf den naheliegenden Wiesen, im

Wald, auf dem Sportplatz oder in unse-

rem kleinen, zum Hause gehörenden

Stück Land «Höfli» genannt. Im Höfli ver-

anstalteten wir alle Arten vonWettkämp-

fen, wie Leichtathletik, Schwingen, Fuss-

ball, Eishockey, Hornussen, Federball,

Armbrustschiessen etc. Unser Anführer

war meistens Robert Obrecht, von uns

Otto genannt. Er war der älteste von uns

und immer voller Ideen und Tatendrang.

Mit zum «harten Kern» und oft dabei wa-

ren die Gebrüder Fredi (Kasi) und Edgar

(Miggu) Känzig. Von den Mädchen mach-

te vor allem die Bohner Rosa mit, die uns

Knaben in sportlichem Belangen eben-

bürtig war. Skifahren lernten wir als klei-

ne Knirpse direkt vor dem Hause und

dem Kindergarten, auf Wagners «Hos-

tet», wo heute das neue Postgebäude

steht. Für Fortgeschrittene war Glausers

«Hostet» und das «Bäumli» im Detten-

bühl bevorzugte Skigebiete.

Der Höhepunkt der Skisaison war das

Skirennen, die Stierenbergabfahrt. Jass-

turniere veranstalteten wir – auf Seifen-

kisten sitzend – in Bohners Scheune. Die

Scheune war auch das Hauptquartier

unserer «Armee».

Unsere Armee war die

«Schnägge-Ernst-Armee».

Der Schnäg-

ge-Ernst war unser liebenswerter Nach-

bar Ernst Bohner, ein Unikum, besser

bekannt als «Eis A». Während der Schne-

ckenzeit war bei Bohners die Annahme-

stelle von Weinbergschnecken, die dann

in Kisten per Bahn ins Welschland spe-

diert wurden. Der Name «Eis A» entstand

folgendermassen: In seiner Jugendzeit

gewann der Bohner Ernst, punktegleich

mit einem andern Teilnehmer, bei einem

Turnfest den ersten Rang. Da er mehr

Einzelsiege verbuchte als sein Mitstreiter

erhielt er das Diplom mit der Auszeich-

nung 1A. Sein Sohn erbte den selben Vor-

namen seines Vaters und war auch unter

dem selben Übernamen «Eis A» bekannt.

Er war etwas älter als die meisten von

uns, ein begnadeter Fussballer. In den

späteren Jahren spielte er beim FC Solo-

thurn in der Nationalliga B. Der Feldherr

unserer «Armee», wie konnte es anders

sein, war der Obrecht Robert. Unter sei-

ner Leitung bastelten wir Waffen aus

Holz, wie Speere, Hellebarden, Morgen-

sterne und Säbel. Die Faustwaffen genüg-

ten ihm nicht und so kam er zur Über-

zeugung, dass wir zur Abschreckung ei-

ne Kanone brauchten. Mit Eifer machten

wir uns an den Bau einer mit Karbid an-

getriebenen Kanone. Das Projekt wurde

ein grosser Reinfall, da die Kanone beim

Test in der «Tropfsteinhöhle»- einer unse-

rer Lieblingstummelplätze – in die Luft

flog und die als Geschoss gedachten Stei-

ne in kleinem Umkreis auf dem Boden

lagen. Auf meinem täglichen Schulweg

durchquerte ich das Städtchen mehr-

mals. In vielen Häusern wohnten Spiel-

und Schulkameraden. Jeder kannte je-

den und gegenseitige Besuche waren an

der Tagesordnung. Speziell interessant

war das Erkunden der grossen Dachstö-

cke.

Im Gegensatz zu heute war das

Städtchen immer voller Leben.

In den Geschäften traf man fast überall

Kunden an. Als Kind besorgte ich für mei-

ne Mutter sämtliche Einkäufe. In bester

Erinnerungen blieben mir die 3 Bäcke-

reien Werthmüller, Hutmacher und Kän-

zig (Chräbelibeck), die 2 Metzgereien

Zingg und Zehnder, verschiedenen Kolo-

nialwarengeschäfte, das Konsum, der